Hysterie (Fortsetzung)
pp. 381-396
in: , Vorlesungen über Psychopathologie des Kindesalters, Berlin, Springer, 1926Abstract
Bei der Differentialdiagnose der Hysterie steht nicht nur die Frage zur Entscheidung: Hysterie oder Epilepsie? Hysterische oder organische Lähmung? Hysterische oder organische Chorea? Hysterie oder Encephaütis? Hysterische oder organische Geistesstörung bzw. seelische Veränderung? Es steht auch die Verbindung organischer Erkrankung, auch der Epilepsie, mit hysterischen Symptomen, die hysterische Überlagerung organischer Krankheit, die organische Erkrankung eines hysterischen Individuums in Frage. Die häufigste ernsthafte Schwierigkeit bietet die Unterscheidung von der Epilepsie. Dies klingt vielleicht verwunderlich, wenn man einerseits den typischen schweren elementar auftretenden epileptischen, andererseits den typischen theatralischen, demonstrativen hysterischen Anfall vor Augen hat. Euer wird kaum jemand im Zweifel sein. Man kann für die Überzahl der Fälle Bruns darin beipflichten, daß der hysterische Anfall schon durch das dem Kinde entgegengebrachte Interesse, durch den Wunsch des Arztes, ihn zu beobachten, ausgelöst wird, denn der Wunsch ist der Hysterie Befehl. Aber der Zufall kann es wollen, daß ein epileptisches Kind gleich in den ersten Tagen der Beobachtung einige leichte Anfälle bekommt, während die Laune eines hysterischen sich vielleicht darin gefällt, symptomlos zu bleiben; oder der Milieuwechsel wirkt stärker als der Wunsch des Arztes, den Anfall zu sehen.