Zur Pathologie der Pubertät
pp. 687-704
in: , Vorlesungen über Psychopathologie des Kindesalters, Berlin, Springer, 1926Abstract
Inwiefern der nor malen Pubertät von dem Bruch mit der Kindheit bis zur Einmündung in die Bahnen der endgültigen Persönlichkeits-gestaltung ein krisenhaftes Wesen zukommt, haben wir in der vorigen Vorlesung von verschiedenen Seiten her erörtert. Wir sahen hierbei aber bereits, daß es ganz unmöglich ist, zwischen der normalen Pubertät und ihren Abwandlungen ins Abnorme eine scharfe Grenze zu ziehen. An vielen Stellen mutete das geschilderte Verhalten der Pubertierenden nicht nur nach dem Grade, sondern auch nach der Art der Erscheinungen als schon an der äußersten Linie der Norm stehend an, als so auffällig und befremdend, namentlich für die Eltern, daß diese selbst zwischen sich und ihrem Kinde einen Abstand empfinden, den sie normalseelisch nicht mehr glauben verstehen zu können. Daß diese für den mit dem Wesen der seelischen Reifevorgänge nicht vertrauten Erwachsenen bestehende Schwierigkeit oder persönliche Unfähigkeit des Verstehens kein Kriterium für die Abnormität bei dem Jugendlichen sein kann, darüber sind wir uns allerdings gleichfalls klar geworden. Bleibt also nur die Abweichung vom Durchschnitt der Jugendlichen selbst, und auch dieser Gesichtspunkt ist so stark mit subjektivem Ermessen belastet, daß er in weitem Umfang und weit mehr als in anderen Altersstufen zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Beurteilern führen kann.