

Literatur der Rußlanddeutschen
pp. 153-165
in: Carmine Chiellino (ed), Interkulturelle Literatur in Deutschland, Stuttgart, Metzler, 2000Abstract
Mit der Betonung ihrer Eigenart — in Rußland Deutsche, in Deutschland dem Selbstgefühl nach auch Deutsche, als solche jedoch von der einheimischen Bevölkerung nicht wahrgenommen — haben es Rußlanddeutsche im Unterschied zu anderen Minderheiten schwer. Weder verstehen sie selbst sich als ›Einwanderer‹ noch sind sie es de iure, sondern als Aussiedler deutscher Abstammung kommen sie — oft nach mehreren Generationen — zurück in das Land ihrer Vorfahren. An ihrer problematischen Befindlichkeit ist in erster Linie die Sprache schuld. Rußlanddeutsche kommen als Deutsche nach Deutschland, folglich wird von ihnen erwartet, daß sie deutsch sprechen. Doch vor allem die Jüngeren kennen die deutsche Sprache nicht, was historische, nicht selten auch psychologische Gründe hat. Sie stoßen damit auf Unverständnis bei den Einheimischen und sehen sich permanent zur Rechtfertigung genötigt. Seit mit dem Jahr 1987 die Zahl der Aussiedler/innen aus der UdSSR sprunghaft anstieg (14.488 gegenüber 753 im Jahre 1986) und sich dieselbe nach dem Zusammenbruch der Union nochmals um ein Vielfaches erhöhte — das Maximum mit 213.214 Personen war 1994 erreicht (Volk auf dem Weg 2/99, S. 10) —, fragt man sich in Deutschland, wer die Rußlanddeutschen sind.