

Migration und Kino — Subnationale Mitleidskultur oder transnationale Rollenspiele?
pp. 329-347
in: Carmine Chiellino (ed), Interkulturelle Literatur in Deutschland, Stuttgart, Metzler, 2000Abstract
Migrant/innen sind keine Seltenheit im deutschen Kino. Die Filmgeschichte ist bevölkert von Ein- und Auswanderern, die aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen, freiwillig oder gezwungenermaßen, fern von ihrem Geburtsort in anderen Ländern arbeiteten. Asta Nielsen, der erste große internationale Star der Stummfilmzeit, kam mit ihrem Regisseur Urban Gad aus Dänemark nach Berlin und spielte in Der Fremde Vogel (1911) die Ausländerin auf Abwegen. Pola Negri reiste aus Polen an, glänzte in feurig-exotischen Rollen und wurde schon bald nach Hollywood abgeworben, ebenso wie bereits 1922 der erfolgreiche Regisseur Ernst Lubitsch. Louise Brooks, die unvergeßliche Lulu mit schwarzem Pagenkopf, kam dagegen aus Hollywood nach Berlin. Der »blonde Traum« Lilian Harvey, die gebürtige Engländerin, sang und tanzte in Musikkomödien der frühen Tonfilmzeit ihre Rolle häufig auf deutsch, englisch und französisch in drei verschiedenen Fassungen. Lya de Putti kam aus Ungarn und hatte ihren Durchbruch als Verführerin in Varieté (1925), bevor sie ihre Laufbahn als europäische Femme fatale in Hollywood fortsetzte, eine Rolle, die ab 1930 die ›verlorene Tochter‹ Marlene Dietrich übernahm. Auch dem Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau eröffnete der internationale Erfolg Karrierechancen jenseits des Atlantik und weiter bis in den Pazifik.