

Erzählformen als Antwort auf den Schrecken in der Geschichte. Oder
Wie Drakula überlebte
pp. 104-127
in: Hartmut Eggert, Ulrich Profitlich, Klaus R. Scherpe (eds), Geschichte als Literatur, Stuttgart, Metzler, 1990Abstract
Eberhard Lämmerts Buch Bauformen des Erzählens (1955) war ein bahnbrechender Beitrag zum Wiedereintritt der deutschen in die internationale Erzählforschung nach dem zweiten Weltkrieg. Während die meisten neueren Untersuchungen und Theorien zur literarischen Erzählforschung sich hauptsächlich (und oft ausschließlich) mit dem Roman befassen, hat Lämmerts Buch den Vorzug, daß es zwar auch den Roman voll einbezieht, aber gleichsam früher, grundsätzlicher ansetzt — bei den »typischen Formen« allen Erzählens als »historische(n) Konstanten« oder »allzeitliche(n) Möglichkeiten«, denen gegenüber die »literarischen Gattungen« (einschließlich des Romans) als variable »historische Leitbegriffe« erscheinen.1 Deshalb habe ich für meinen Beitrag eine Erzählüberlieferung gewählt, die mit relativ einfachen, vorliterarischen Erzählformen einsetzt und erst nach Jahrhunderten im Roman einen neuen Höhepunkt erlebt. In Entsprechung zum Gesamtthema des Symposiums, »Geschichte als Literatur«, geht es dabei um eine literarisch umgesetzte historische Figur. Und weil die Herausforderung von Erzählen durch Geschichte besonders intensiv, kontrovers und aufschlußreich ist, wo es sich um Erfahrung des Erschrekkenden in und an Geschichte handelt, habe ich mich für die historische Figur des Schreckensherrschers Drakula entschieden.2