

Biographie als Versuch über weibliche Intellektualität
pp. 103-114
in: Irmela von der Lühe, Anita Runge (eds), Jahrbuch für Frauenforschung 2001, Stuttgart, Metzler, 2001Abstract
Am 14. Dezember 1947 schrieb Hermann Broch an Hannah Arendt, ihr Rahel-Varn-hagen-Buch., das er »mit größter Spannung« gelesen habe, sei ein »neuer Typ von Biographie«. »[I]n aller Unschuld« habe sie gleichsam die »abstrakte Biographie« erfunden.1 In einem gleichzeitig entworfenen Brief an den Züricher Literaturverlag C. Posen empfahl Broch das Werk als eine »philosophische«, »eine […] existentialistische« Biographie, die ein hochinteressantes Experiment darstelle.2 Ähnlich wie später Jaspers kannte Broch das Manuskript nur in einer vorläufigen Fassung, d. h. ohne das erst 1956 entstandene Vorwort und den Anhang mit seinerzeit ungedruckten Briefen Rahel Varnhagens. Broch und Jaspers stimmten in der Würdigung des Buches als Biographie neuen Typs überein. Leider aber habe es, so Broch 1947, »les défauts de ses vertues«, die Fehler seiner Tugenden.3 Anders als Jaspers4 bezog sich Broch damit aber nicht auf Hannah Arendts zionistische Kritik am Assimilationsstreben Rahel Varnhagens, sondern auf das erzählerische Konzept.