

Die Erben des Belcanto
pp. 255-281
in: Udo Bermbach (ed), Oper im 20. Jahrhundert, Stuttgart, Metzler, 2000Abstract
Bernardo Bertoluccis fünfstündiges Generationenepos Novecento — es handelt von Italien zwischen 1900 und dem Ende des Zweiten Weltkriegs — beginnt mit Opernpathos: Ein betrunkener Buckliger, der als Rigoletto verkleidet ist, läuft durch den Pappelwald und brüllt: »Giuseppe Verdi ist tot, Giuseppe Verdi ist tot.« Im selben Moment werden die beiden Protagonisten, der reiche Alfredo und der arme, uneheliche Olmo, auf dem gleichen Landgut zur Welt gebracht. Für den Parmenser Regisseur markiert das Ableben von Verdi im Januar 1901 nicht nur das Ende des 19. Jahrhunderts, sondern das Ende einer ganzen Epoche und vielleicht auch einer Gattung. Es beginnt ein neues, das moderne ideologische Zeitalter. Olmo und Alfredo, die gemeinsam aufwachsen, werden zwei gänzlich gegensätzliche Biographien leben. Olmo wird sich wie seine Vorfahren im 19. Jahrhundert als armer Landarbeiter verdingen und sich zunächst den Kommunisten und dann den Partisanen anschließen. Alfredo, als Sohn des Padrone geboren, wird das Leben eines reichen Dandys führen, der sich aus Bequemlichkeit mit den Faschisten arrangiert.