

Zur Psychopathologie und Neuropsychologie der Wahrnehmung von Gesichtern
pp. 71-84
in: Manfred Spitzer (ed), Psychopathology and philosophy, Berlin, Springer, 1988Abstract
Kein anderer Teil des menschlichen Körpers ist für die persönliche Identität und zwischenmenschliche Beziehungen von solch entscheidender Bedeutung wie das menschliche Gesicht. Dennoch wurde dieser Tatsache im Kontext psychotischen Erlebens bislang kaum Beachtung geschenkt. Die vorhegende Studie stellt einen ersten Versuch in diese Richtung dar, wobei drei verschiedene Störungen von Wahrnehmen und Erkennen menschlicher Gesichter bei akuter Schizophrenie und in der Meskalin-Psychose verglichen werden sollen. Diese sind: 1. Eine generelle Störung der Fähigkeit, Gesichter anderer Menschen unter emotionalem Streß oder emotionaler Stimulation zu erkennen (was wir als affektive Prosopagnosie bezeichnen); 2. Eine teilweise unkontrollierbare Tendenz, Gesichter in Objekten oder Strukturen der Umgebung "zu sehen", mit oder ohne deutliche affektive Begleitreaktion (dies nennen wir dann Physiognomisierungstendenz oder mit einem Anglismus faces in the fire Phänomen); und 3. Eine Störung der Wahrnehmung und/oder Ich-Identifizierung während der Betrachtung des eigenen Gesichts im Spiegel, was häufig durch Reaktionen wie allgemeines Befremden, Erschrecken, Selbstentfremdung und/oder den Eindruck gekennzeichnet ist, seinem "teuflischen Doppelgänger" zu begegnen (dies bezeichnen wir als Spiegelphänomen).