

Apriorität in dialektisch-materialistischem Sinn
pp. 248-268
in: , Weltentwurf und Reflexion, Stuttgart, Metzler, 2005Abstract
Seine klassische Formulierung hat das Problem des Apriori in Leibniz" Auseinandersetzung mit Locke gefunden, in der er den Anspruch und die Grenze einer empiristischen Erkenntnisbegründung erörterte. Die abbreviative Formel, auf die These und Antithese gebracht wurden, ist ein Topos der Philosophiegeschichte: Nihil est in intellectu, quod non prius fuerit in sensu —nisi intellectus ipse. Die Einschränkung hat eine in der neuzeitlichen Philosophie auf Descartes, ja vor ihm auf den (immer noch viel zu wenig untersuchten) Herbert von Cherbury zurückgehende Tradition, die in der Logik von Port Royal auf die bündige Argumentationsfigur gebracht ist: »Car pour ne rien dire que de clair, il n"y a rien que nous concevions plus distinctement que notre pensée même, ni de proposition qui nous puisse être plus claire que celle-lá: Je pense, Donc je suis«.1 Um diese erste cartesische Gewißheit zu besitzen, müssen wir indessen schon deutlich begreifen, was »sein« und »denken« heißt. Die Selbsterfahrung des cogito impliziert die Ich-Identität des Selbst, das denkt, und damit die notio communis »sein«. Auf dieses jeder Sinneserkenntnis vorausliegende Prius weist Leibniz hin, wenn er darauf insistiert, »daß wir uns sozusagen selbst eingeboren sind, und weil wir Seiende sind, ist uns das Sein eingeboren. Und die Erkenntnis des Seins ist eingehüllt in die Erkenntnis unserer selbst«.2