

Leiderfahrung und Form
Zu den Nachlaßgedichten von Ingeborg Bachmann
pp. 97-114
in: Vittoria Borsò, Gertrude Cepl-Kaufmann, Tanja Reinlein, Sibylle Schönborn, Vera Viehöver (eds), Schriftgedächtnis — Schriftkulturen, Stuttgart, Metzler, 2002Abstract
Ingeborg Bachmann wäre am 25. Juni 2001 fünfundsiebzig Jahre alt geworden. Es ist schwierig, sich das vorzustellen: Alle Bilder zeigen sie mit jugendlicher Attitüde, und auch ihre Texte erlauben kaum den Gedanken an eine alte Frau. Nicht einmal die unveröffentlichten, die vor kurzem (2000) herausgegeben wurden: Der Titel dieser Sammlung Ich weiß keine bessere Welt1 ist verzweifelt und jugendlich trutzig zugleich. Entsprechend handeln die Gedichte von dem Ineinander von Lebenshunger und Todessehnsucht, es sind, wie sie selber emphatisch bekannte, »keine Delikatessen«. Zu einem nicht geringen Teil spiegeln sie die Verzweiflung, das Kaputtsein der Dichterin wider. Darauf ist noch einzugehen. Fragen wir zunächst, wie es mit dem Nachruhm der Dichterin heute steht.