

Gedächtniskünste
pp. 136-142
in: Christian Gudehus, Ariane Eichenberg, Harald Welzer (eds), Gedächtnis und Erinnerung, Stuttgart, Metzler, 2010Abstract
Die Gedächtniskunst, die ars memoriae oder memoria artificialis, die als erlernbare Fertigkeit mit dem Begriff ›Mnemotechnik‹ bezeichnet wird, steht dem Gedächtnis, der memoria naturalis, zur Seite, um das Vergessen des Vergangenen und dessen abzuwenden, was für eine Kultur als erinnerungswürdig gilt. Während die Gedächtniskunst, entweder als Teil der Rhetorik oder als eigene Disziplin, in unterschiedlichen Medien und mit variierenden Funktionen seit der Antike Instruktionen für das Merken liefert, ist das Gedächtnis ein prominenter Gegenstand der Philosophie, insbesondere der philosophischen Anthropologie: Piatons Anamnesis-Theorie (vgl. Phaidon) und Aristoteles' De memoria et reminis-centia, das memoria-Kapitel in Augustinus' Confessiones ebenso wie die scholastischen Interpretationen der mnemonischen Schriften des Aristoteles von Albertus Magnus und Thomas von Aquin sind zentrale Punkte der Reflexion, die bis in die Gegenwart theorieproduktiv geblieben sind (s. Kap. IV 2).