

Geschlechterverhältnis und Sexismus
pp. 127-144
in: Rüdiger Lautmann, Hanns Wienold (eds), Georg Simmel und das Leben in der Gegenwart, Berlin, Springer, 2018Abstract
In der Soziologie hat Georg Simmel als erster das Geschlechterverhältnis thematisiert, und zwar im Hinblick auf die Differenz zwischen Frauen und Männern sowie bezogen auf ihre Wechselwirkung. In der Gesellschaft seiner Gegenwart sieht Simmel im männlichen Prinzip idealtypisch das Allgemeine, während das weiblichen Prinzip die Ganzheit des seelischen Zustandes verkörpere. Entscheidend ist die Relation zwischen beiden Geschlechtlichkeiten, die einander gleichwertig sind. Liest sich das Weibliche in seinen frühen Texten noch als Mangelzustand, so verändert Simmel diese Haltung mit der Zeit und gelangt zu herrschaftstheoretischen Überlegungen. Die wesenhafte Unterschiedlichkeit der Geschlechter verlange aber von den Frauen, ihr Eigenstes zur Geltung zu bringen und sich im Übrigen nicht vor dem Leistungsprinzip zu drücken. Die aktuellen Sexualskandalisierungen, die Frauen gleichauf mit Kindern auf die Opferlage männlicher Übergriffigkeit festlegen, wären von Simmel sicher kritisiert worden. Wird sein Ansatz weitergedacht, müssten Frauenrechte sich von traditionellen Geschlechterrollen loslösen und damit von der passiv-anklagenden auf die aktiv-gestaltende Seite wechseln.