Abstract
Trotz wiederholt und mit Nachdruck geäußerter kritisch-skeptischer Distanz gegenüber der Parodie und dem Parodieren ist Goethe — zumindest in jungen Jahren und zu Beginn seiner literarischen Laufbahn — selbst Autor humorvollspielerischer und satirisch-parodistischer Texte. Erinnert sei an dieser Stelle nur an die nach Art der Schwänke des Hans Sachs geschriebenen kleinen Stücke und Farcen aus der ersten Hälfte der siebziger Jahre. Die kecken — an Sachsens Versmaß orientierten — Knittelversdramen sind — so sieht es Goethe selbst — der Versuch, eine noch urwüchsig-ursprüngliche, kräftig-impulsive Form der Sprachgestalt für die deutsche Literatursprache zurückzugewinnen: In dem für die Hochzeitsfeier des Theologen und Freundes Johann Gottfried Herder geschriebenen ‚Fastnachtspiel" von dem ‚Falschen Propheten Pater Brey" (1773) führt er die Vermischung geistlichen und sinnlichen Begehrens1 vor, und das "wie eine launige Gelegenheitsarbeit"2 daherkommende kleine ‚Schönbartspiel"3 vom ‚Jahrmarktsfest zu Plundersweilern" (1774) enthält eine — am ‚Bildungsspiel" ausgerichtete — Parodie auf die klassizistische Alexandrinertragödie.4 Verwiesen sei aber auch auf die Farce ‚Götter, Helden und Wieland" (1774) und die darin enthaltenen parodistischen Rückbezüge auf das ein Jahr zuvor erschienene Singspiel ‚Alkestis"5 von Christoph Martin Wieland sowie auf das Fragment gebliebene ‚mikrokosmische" Puppenspiel ‚Hanswursts Hochzeit oder der Lauf der Welt" (1775), in dem Goethe "die sämtlichen deutschen Schimpfnamen in ihrem Charakter persönlich"6 auftreten läßt und — durchaus selbstironisch — den erst ein Jahr zuvor dem Lesepublikum präsentierten Werther als zwar unfähigen, aber nützlichen Liebhaber vorstellt — Weither bekommt die Rolle eines sogenannten ‚Probierhengstes' zugeschrieben.7