

Der Takt im Alltag und in der Theorie
Beschreibungen und Verortungen
pp. 125-148
in: Alfred Bellebaum, Robert Hettlage (eds), Unser Alltag ist voll von Gesellschaft, Berlin, Springer, 2014Abstract
Außerordentlich selten schreibt oder spricht man über Takt, obwohl Taktlosigkeiten jeder Art zum Alltag der Gesellschaft gehören. In den Kulturwissenschaften führen Schriften zu diesem Thema ein kaum beachtetes Dasein am Rande, und obwohl Takt und Taktlosigkeiten Phänomene des zwischenmenschlichen Umgangs sind, mit spürbaren positiven und negativen Auswirkungen, kann nur mit Staunen festgestellt werden, dass sie im Themenrepertoire der Soziologie so gut wie vollständig fehlen. Vielleicht gibt es zu wenig Anreize dazu, sofern sie aus gesellschaftlichen und kulturellen Trends der Zeit kommen; man kann davon ausgehen, dass für verhältnismäßig viele Bewohner deutschsprachiger Länder, aber auch anderer Länder Europas, "Takt" als hochgeschätzte Qualität des Verhaltens kein Begriff ist. Viele Soziologen und Soziologinnen mögen sich von vornherein nur für Themen interessieren, die sie als repräsentativ für "das Ganze" ansehen oder für Mehrheiten irgendwelcher Art; nicht wenige mögen auch den Takt für eine abgestandene Thematik konservativer Kultursoziologie halten, die sich, wie man zu wissen glaubt, gerne mit den Absonderlichkeiten gehobener Gesellschaftsschichten befasst.